Montag, 25. November 2013

Sidihoni

Wir sind unterwegs nach Sidihoni. Jetzt wirds kompliziert, denn Sidihoni liegt an einem kleinen See mitten auf einer Insel im Lake Toba, dem groessten Binnensee Sumatras. Sumatra ist wiederum eine Insel in der Andaman Sea. Alles klar? Geographisch sehr interessant, da der grosse See ein Kratersee eines erloschenen Vulkans ist. In Sidihoni glaubt man, dass bei einem starken Erdbeben die Insel im See verschwinden wird, da sie unterhoehlt ist. Das wuerde heissen, dass der Wasserspiegel so steigen wuerde, dass auch alle Orte und Staedte rund um den See weg waeren. Der Lake Toba liegt auf ungefaehr 1000m Hoehe und wir packen wieder unsere warmen Pullis aus. Mit Abstand ist Samosir, die Insel, das beliebteste Touristenziel in Sumatra. In Sidihoni merkt man das allerdings nicht. Um hierher zu kommen, muss man ein Auto chartern oder vom anderen Teil der Insel ueber recht schwieriges Gelaende trekken.


Wie kommen wir nun gerade auf Sidihoni? Unsere Sponsorin Christine Schreiber hat hier mehrmals fuer laengere Zeit in einer Familie gelebt, um eine ethnologische Feldforschung ueber die Toba-Batak durchzufuehren. Sie wurde sogar als eines von 8 Kindern in den Familienklan der Simalango aufgenommen und hat ein altes traditionelles Haus, ein sogenanntes Adat-Haus renoviert, in dem wir wohnen koennen. Die Toba-Batak sind zum Christentum missionniert worden, bewahren aber viele ihrer Traditionen. Wer sich dafuer interessiert, dem sei Christines Buch 'Sidihoni-Perle im Herzen Sumatras' empfohlen, erhaeltlich unter www.sidihoni.com

Wir sind wieder mal bis abends unterwegs und kaufen in Pangururan, der groessten Stadt am See noch kurz Gemuese ein, fahren nach Google Maps wieder aus der Stadt raus. Man hat uns eine ziemlich schlechte Strasse prophezeit, wieder mal. An der Abzweigung fragen wir sicherheitshalber und es heisst: nein, nicht hier. Wir rufen daraufhin ein paar Leute an, Kontakte, die uns Christine genannt hatte. Davon erreichen wir nur einen, Siar M. Nadeak, einen ehemaligen Konsul in Deutschland. Er ist gerade in Jakarta, meine Beschreibung ist aber wohl eindeutig: 'Ihr seid ganz falsch, ihr muesst zurueck nach Pangururan. Dort wartet bei der Poliziei, ich schicke jemand, der euch hinbringt.' Es ist jetzt dunkel und faengt auch noch in Stroemen an zu regnen, als ein Mann auf einem Moped vor uns haelt. Wir sind nun nicht mehr davon ueberzeugt, dass wir eine Stunde auf einer schlechten Strasse durchs Gebirge bei Nacht und Regen heute noch bewaeltigen koennen. Der Mann bestaetigt, dass viele Steine im Weg liegen und das letzte Stueck nicht geteert ist. Der Konsul ruft nochmal an und wir sagen, dass wir in Pangururan uebernachten wollen. Kurzerhand werden wir dort bei seinem Schwager Ramses einquartiert. Vielen Dank dafuer!


Am naechsten Morgen scheint die Sonne, wir finden die Strasse und eine Stunde spaeter sehen wir den kleinen See. Mikhael, Christines Bruder kommt schon mit dem Roller angefahren und zeigt uns den Weg. Kurze Zeit spaeter parken wir vor dem Adat-Haus inmitten von Wiesen mit Wasserbueffeln. Christine's Mutter begruesst uns und wir trinken erst mal einen Kaffee. Die Leute hier leben vorwiegend vom Kaffee-und Reisanbau. Wir werden sofort herzlich in die Familie aufgenommen, die Annahme, wir muessen uns hier selbst versorgen, war grundverkehrt, wir haben Vollpension! Beim Abendessen sitzen ohne uns schon 10 Personen am Tisch, alles Kinder und Enkelkinder. Viele alte Menschen in Deutschland wuerden sich einen solchen intakten Familienverband wuenschen. 

Das Leben ist andererseits ziemlich hart hier oben, schon allein die Tatsache, dass die Kinder jeden Morgen und Nachmittag 2 Kilometer zu Fuss den Berg runter und wieder rauf laufen muessen, fuer uns kaum vorstellbar. Sie muessen schon um halb 7 los. Vor 3 Jahren waren es sogar noch 8 Kilometer, fast bis nach Pangururan, meint Mikhael. Viele der Bewohner sind deshalb in die Stadt gezogen, nach Jakarta, Pekanbaru oder Medan. 
Das Adat-Haus ist sehr geraeumig, im hinteren Teil befindet sich eine Kochstelle mit Holz. Eda mit ihren 2 Toechtern wohnt auch hier, ihr Mann, Christine' s juengster Bruder, ist seit ueber 8 Jahren verschollen. 

Wir wandern ein wenig durch die schoene Gebirgslandschaft und kehren im einzigen Warung im Dorf auf einen Kaffee ein. Wenn die Maenner nicht gerade auf dem Feld sind, sitzen sie hier. Man hat das Gefuehl, die Zeit sei stehengeblieben. Gerade gibt es frisch gebackene Bananenkrapfen, wir schlagen ordentlich zu. Bezahlen duerfen wir wieder mal nicht. Wir hatten der Frau bei unserer Ankunft einen alten Vliespulli geschenkt und haben deshalb unbegrenzten Kredit. 

Patrice versucht mal wieder sein Glueck beim Angeln. Mikhael meint, in den alten Sagen heisst es, dass Fremde hier keinen Fisch fangen koennen. Genauso kommt es, deshalb leihen wir die Angel besser Mikhael und siehe da, schon kurz darauf beissen 2 Fische...
Spaeter kommen ein paar Kinder zum Fussball spielen vorbei, besser gesagt 2 komplette Fussballmannschaften. Doch kaum fallen die ersten Regentropfen, sind alle verschwunden. Wir treffen eine Schuelerin, die gerne mit uns eine Runde Schach spielen wuerde, sie ist schon Schulmeisterin in Nord-Sumatra und spielt bald um die Sumatra-Meisterschaft. Leider kommt es nicht mehr zum Duell oder waere es eher eine bedingungslose Kapitulaton geworden?

Zum Abschied bekommen wir eine grosse Packung einheimischen Kaffee geschenkt und wir lassen eine Tuete mit Kleidern da, die wir ohne Auto nicht mehr transportieren koennen, betreiben sozusagen aktiv Gepaeckreduzierung. Zwecks Kontrastprogramm machen wir uns auf den langen Weg in die Grosstadt-nach Pekanbaru. Wir werden mindestens 2 Tage brauchen und Mikhael meint, die Strasse durch die Berge sei sehr schlecht. Er habe gehoert, es haette einen Erdrutsch gegeben, der mehrere hundert Hoehenmeter (!) umfahren werden muss. Da steht fuer uns fest: wir haben nun genug vom Abenteuer und waehlen die Hauptstrasse durchs platte Land, die Hauptverbindung zwischen Medan und Pekanbaru. Langsam quaelen wir uns die steinige Piste zurueck nach Pangururan.

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